November 1999
Liebe TeleClub-Mitglieder
Wie Sie vielleicht bereits aus den Zeitungen erfahren haben, verhindern Bundesrat Moritz Leuenberger und sein Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) den angekündigten raschen Einstieg des TeleClubs ins digitale Zeitalter. Es ist dem TeleClub nicht gestattet, das neueste Modell der d-box (2. Generation) als Empfangsgerät sowohl für unsere Kabelabonnenten wie für die Satellitenempfänger kostenlos abzugeben. Die neue d-box gilt in internationalen Expertenkreisen als leistungsfähigste Set-Top-Box, die gegenwärtig in Europa zur Verfügung steht. Sie würde Ihnen z.B. neben dem Empfang von Pay-TV und freien Fernsehprogrammen dank grosser Speicherkapazität auch die Möglichkeit zur erweiterten Internetnutzung bieten.
Mit dem Vorgehen des UVEK wird in krasser Weise in den Wettbewerb eingegriffen und der technologische Fortschritt behindert.
Die medienpolitischen Argumente, die dazu vom UVEK angeführt werden, sind nicht stichhaltig und zum Teil sogar falsch!
Dazu einige Kostproben :
Das Departement Leuenberger behauptet, die technologische Konfiguration der d-box sei darauf angelegt, eine Monopolstellung einzelner Programmveranstalter herbeizuführen.
Tatsache ist, dass die d-box dem aktuellen Stand der technologischen Empfangssituation wie bei allen führenden Pay-TV-Unternehmen wie Canal Plus (in Frankreich), BSkyB (in England), Telepiù (in Italien) und Premiere World (in Deutschland und Österreich) entspricht.
Diese Unternehmen haben in den letzten Jahren enorme Investitionen getätigt, um ihre Set-Top-Boxen zu entwickeln. Weder der Staat noch die Geräteindustrie hat sie dabei unterstützt. Diese Unternehmen geben deshalb anderen Pay-TV-Veranstaltern auf vertraglicher Basis die Möglichkeit, die Box zu nutzen. Das passt den Medienbürokraten im UVEK nicht – sie wollen freie Fahrt für die Trittbrettfahrer . Das widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch der wirtschaftlichen Logik. Die Behauptung, dass dadurch Monopolstellungen geschaffen würden, ist eine Unterstellung. In Deutschland wird die d-box zum Beispiel durch die Telekom vertrieben und diese lässt keine marktbeherrschende Stellung einzelner Programmveranstalter zu.
Das Departement Leuenberger behauptet, die Europäische Union (EU) und die zuständige Standardisierungskommission für das digitale Fernsehen würden sich klar für das vom UVEK geforderte System (sogenanntes Multicrypt) aussprechen.
Tatsache ist, dass die Europäische Union sowohl Multicrypt wie auch das vom TeleClub vorgeschlagene Simulcrypt-Verfahren gleichwertig zulässt. Tatsache ist auch, dass die Europäische Union bereits vor Jahren die spanische Regierung gezwungen hat, beide Systeme zuzulassen, nachdem diese – wie jetzt die Schweiz – durch eine politisch einseitige Zensurstrategie nur ein System durchsetzen und das andere verbieten wollte.
Das Departement Leuenberger führt auch technologische Gründe im Zusammenhang mit dem digitalen Verschlüsselungsstandard an, um den Einsatz der d-box in der Schweiz zu verhindern.
Tatsache ist, dass die zuständige europäische DVB-Gruppe (Standardisierungskommission für das digitale Fernsehen) sich in den letzten Jahren noch gar nicht auf einen einzigen verbindlichen Verschlüsselungsstandard einigen konnte, weil das technologische Problem so kompliziert ist. Deshalb haben sich ja auch die zwei Verfahren Simulcrypt und Multicrypt parallel zueinander entwickelt. Der gemeinsame Standard soll nun in den nächsten Monaten definiert werden und als sogenannte Multimedia Home Plattform (MHP) in ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen. Die d-box ist aufwärtskompatibel zu diesem Standard, das heisst, dass sie entsprechend konzipiert wurde, um eines Tages die MHP-Software zu übernehmen.
Das Departement Leuenberger unterstellt, dass der TeleClub mit der Einführung der d-box eine Kontrolle über die Programmauswahl auf der d-box ausüben wolle. Das UVEK wirft dem TeleClub vor, er könnte so als gatekeeper nur jene Programme auf der d-box zulassen, die ihm gerade passen.
Tatsache ist, dass das UVEK natürlich viele Mittel in der Hand hätte (zum Beispiel Konzessionsauflagen), um den TeleClub daran zu hindern, solche konsumentenfeindliche Methoden anzuwenden. Tatsache ist aber vor allem, dass das Departement Leuenberger mit seinem Entscheid dem einzigen und real existierenden gatekeeper in der Schweiz – der marktbeherrschenden Cablecom – in die Hand spielt. Dieses üble Spiel wollen wir nicht mitspielen – nicht zuletzt, um die Kabelabonnenten davor zu bewahren, dass sie über ungehindert steigende Kabelgebühren zur Kasse gebeten werden. Deshalb will der TeleClub den Wettbewerb bei der Wahl von Set-Top-Boxen. Und deshalb hat er auch bei der Wettbewerbskommission gegen die Cablecom eine Klage eingereicht.
Aus diesen und vielen anderen Gründen wird sich der TeleClub mit dem autoritären Entscheid aus Bern nicht einfach abfinden. Er wird alle rechtlichen Mittel ausschöpfen und rekurriert jetzt an den Gesamtbundesrat.
Dies alles, liebe TeleClub-Mitglieder, geht leider zu Ihren Lasten: Das digitale Fernsehen vom TeleClub und der damit verbundene Programmausbau findet vorläufig nicht statt. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich der digitale Fortschritt in der Schweiz nicht aufhalten lässt.
Ihr TeleClub